Letzten Sommer nahm ich an einem Design-Thinking-Seminar teil – ursprünglich mit der Motivation, die Methode besser kennenzulernen, damit ich weiß, wovon Kund:innen genau sprechen, wenn sie über diese Methode reden. Dass sie für mich Anwendung finden könnte, darauf war ich nicht gekommen, ich entwickle ja keine Produkte, dachte ich.
Seit Beginn des Lockdowns im Rahmen der Covid-19-Pandemie hat sich nicht nur die Welt, in der ich als Privatperson lebe, verändert; für mein Geschäft, mein Dienstleistungsangebot ist das Prinzip „fail fast“ aus dem Design Thinking zur absoluten Notwendigkeit geworden. Und ich kann gerade recht gut nachvollziehen, vor welche Herausforderungen das Produktentwicklungsteams stellt. „Fail fast“ bedeutet, so früh wie möglich im Prozess festzustellen, ob, dass und warum eine Produktidee nicht oder so nicht für die Kund:innen funktioniert. Also stellt man so schnell wie möglich eine erste präsentierfähige Idee, eine Beschreibung, idealerweise einen Prototypen her, um dazu mit potenziellen Anwender:innen ins Gespräch zu kommen. Funktioniert die Idee? Kommt das Design an? Löst die Idee überhaupt ein für die Zielgruppe relevantes Problem?
Schnell Ideen auszuprobieren, das wird für mich gerade vor allem deshalb zur Notwendigkeit, weil mein bisheriges Dienstleistungsangebot bis auf wenige Ausnahmen immer in persönlicher Anwesenheit der Beteiligten – zur selben Zeit im selben Raum – funktioniert hat. Sicher gab es auch vor dem Lockdown Zoom-Konferenzen, auch mal ein Telefon-Coaching, und in meiner Zeit als Personal- und Organisationsverantwortliche in einem pharmazeutischen Unternehmen habe ich sogar einige Blended-Learning-Projekte durchgeführt und sogar webbasierte Dashboards für Führungskräfte gemeinsam mit der IT entwickelt (das ist allerdings mehr als zehn Jahre her). Dennoch beschränkte sich mein Denken immer auf den Grundsatz: Beratung, Training und Coaching passiert live und räumlich-physisch synchron.
In den letzten rund vier Wochen hieß es nun: Wenn auf absehbare Zeit genau das nicht möglich sein wird – was dann? Die laufenden Einzelcoaching-Prozesse auf eine virtuelle Variante zu verlegen, das war keine große Sache, allerdings waren das auch nur zwei. Bei den vor allem seit Anfang März geplanten zahlreichen Leadership-Trainings sieht das schon ganz anders aus: Was lässt sich, gerade wenn es um Haltung, um Verhalten, um das Einüben von Gesprächstechniken geht, überhaupt im virtuellen Raum darstellen? Welche Zeitstruktur muss dann neu erfunden werden – denn sicher ist es wenig zielführend, ein für zwei Tage geplantes Präsenztraining einfach in zweimal acht Stunden virtuelle Konferenz zu übersetzen. Was passiert mit Beratungsformaten, Veränderungsprozessen, und welche neuen Ideen und Möglichkeiten, tatsächlich Produkte zu entwickeln, die möglicherweise sogar in Teilen unabhängig von meiner synchronen Anwesenheit funktionieren, ergeben sich?
Also verbrachte ich eine ordentliche Anzahl von Stunden in den letzten Wochen mit dem Testen von Tools, um Chancen zu erkennen; mit dem Austausch mit Kolleg:innen und Kund:innen zu ersten Produktideen und schließlich mit der Zusammenstellung einer prototypischen Präsentation zu einer Produktidee: einem Blended-Learning-Programm für Personen, die zum ersten Mal in einer Führungsrolle sind, ein Mix aus Input, Reflexionsangeboten und Coaching-Sessions, die man aus dem Produkt heraus anstoßen kann. Und fragte ausgewählte Personen aus meinem Netzwerk, die aus meiner Sicht entweder als Personaler:innen, als potenzielle Anwender:innen oder weil ich sie als konstruktiv-kritisch kenne, um Feedback. Bewusst waren dort nur wenige inhaltliche Informationen zum späteren Produkt enthalten, mir ging es tatsächlich darum zu erfahren, welche Reaktionen die grobe Idee erzeugte und welche Fragen dabei entstanden. Von zehn Personen, die ich um Feedback gebeten hatte, haben acht geantwortet, und ich bin in diesen Tagen dabei, ein kurzes Feedback zum Feedback zu erstellen und mit einem riesengroßen Dankeschön an die Inputgeber:innen zurückzugeben. Fest steht: gescheitert ist die Idee sicher nicht – aber sie wird sich signifikant verändern, sie wird geschärfter, zugespitzter sein, und neben den inhaltlichen Aspekten habe ich viel darüber gelernt, was bei der Kommunikation eines Produkts anders ist als bei einer Dienstleistung.
Ich bin gespannt, wie die Reise weitergeht. Im nächsten Blog-Artikel beschäftige ich mich mit der Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass wir als Gesellschaft und als Organisationen nicht nur aus der Krise lernen, sondern tatsächlich nachhaltig Dinge verändern.
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