„Kaffee, Donut, Viertelstunde“ zum Lesen: Folge 007 mit Schlaf-Coach Nadine de Zoeten

02.03.2021Claudia Salowski

Mit Nadine de Zoeten habe ich über ihre Arbeit als Schlafcoach gesprochen und darüber, warum sie so happy ist, dass sich die Idee, wenig Schlaf sei Merkmal erfolgreicher Menschen, langsam aber sicher ändert.

Claudia: Hallo Nadine, ich spreche heute mit Nadine de Zoeten. Ich habe gerade nochmal gelernt, wie man einen Nachnamen richtig ausspricht. Du kommst nämlich ursprünglich aus den Niederlanden und meine erste Frage …Und lebst jetzt seit einer Weile schon in München. Aber das erzählst du uns gleich selbst. Meine erste Frage im Podcast ist ja immer: Wo und wie trinkst du am liebsten deinen Kaffee? Und vielleicht hat das ja schon was mit den Niederlanden oder mit Deutschland zu tun. Mal gucken.

Nadine: Hallo Claudia, ich freue mich so hier zu sein. Wie trinke ich meinen Kaffee? Ich muss ich ganz ehrlich gestehen: Ich bin eine Espressotrinkerin. Gerne so mal 2-3 Espresso morgens und dann lauf ich wie eine Verrückte, sagen wir mal so, und nachmittags brauche ich wirklich keinen Kaffee mehr. Denn sonst schlafe ich überhaupt nicht mehr.

Claudia: Okay. Ja, und Schlafen ist, wie ich gesehen habe, ein wichtiges und zentrales Thema für dich geworden. Gerade auch nochmal intensiver in der letzten Zeit. Ich hab nämlich noch mal auf dein LinkedIn-Profil draufgeschaut. Wir kennen uns ja, na so knapp zwei Jahre, glaube ich. Ungefähr vor zwei Jahren haben wir gemeinsam ein Beratungsprozess gemacht und zwar anders, als ich das gewohnt bin. Nicht ich habe dich beraten, sondern du hast mich beraten, als es darum ging, meine Positionierung nochmal zu schärfen und aufzustellen. Und wir haben über strategische Wunschkunden und -kundinnen gesprochen und so, daher kennen wir uns. Und wenn man jetzt auf dein LinkedIn-Profil schaut, dann sieht man „Sleep and High Performance Expert for Executives, CEOs and Professionals who want to sleep butcan’t“. Erzähl, was hat es damit auf sich?

Nadine: Also es ist total richtig genau so. Ja, ich mache in der Tat Schlaf-Consulting als Teil von meinem Angebot. Wie du sagst, wir haben uns kennengelernt damals mit Positionierung, aber mein Hintergrund ist auch ganz stark in der Unternehmensberatung und Training & Development. Und ein Teil davon war immer so das ganze Stressmanagement, Resilienz, ich möchte gerne alles geben, aber ich bin so müde. Und das ist etwas, das immer nach vorne kommt und kam. Und genau in der letzten Zeit, wegen der jetzigen Covid-Situation, wo im Prinzip unser ganzes Leben durcheinandergeschmissen worden ist, sogar auch die Work-Life-Balance, wo alles, naja, welche Balance manchmal, wo Schlaf doch stark nach vorne kommt. Und schlafen, wir machen es alle, wir müssen es alle machen, denn ohne geht es nicht. Aber es ist doch schon etwas, was oft unterschätzt wird. Und das ist, wo ich meine Kunden daran arbeite: Okay, wie kannst du deinen Schlafgewohnheiten und deine Schlafhygiene, wie man das so nennt, adaptieren, damit du den nächsten Tag echt wirklich ausgeruht wach wirst und dann deine Ziele, deine Träume, alles schön erfüllen kannst.

Claudia: Und ich kann mir vorstellen, das sind dann solche Sachen, die man ja so ein bisschen auch schon kennt, wie für frische Luft sorgen, es soll nicht zu warm und nicht zu kalt sein, kein blaues Licht, also irgendwie kein Handy, kein Laptop mehr ein, zwei Stunden, bevor man ins Bett gehen will und solche Sachen. Aber sag mal, wie wird man denn Schlafcoach?

Nadine: Ja, ganz, ganz witzig, das ist mir mal irgendwo über den Weg gelaufen. Es gibt wenige Schlafcoaches für Erwachsene. Es gibt ganz, ganz viele, vor allem in Amerika, für Kinder, die im Prinzip nicht schlafen wollen, aber die Papas und die Mamas, die möchten gerne auch schlafen. Und da ist auch oft der ganze Rhythmus durcheinander. Und was ich da mache mit meinen Kunden, ist nicht nur, wie du sagst, die Standardsachen. Da wissen wir alle von, okay, hat man ein aufgeräumtes Schlafzimmer usw., aber es ist auch viel mehr. Meine Herangehensweise ist ziemlich holistisch. Es hat auch damit zu tun, wie dein Körper ist. Es kann auch so sein, dass du Beschwerden in deinem Körper hast, z.B. bei Frauen, dass die ganzen Hormone durcheinander sind. Und auch solche Sachen können deinen Schlaf beeinflussen, und vielen ist das überhaupt nicht bewusst.

Claudia: Und was kann man da machen? Kannst du da irgendwelche Tests machen oder muss man dann einen Arzt noch mit einbeziehen? Wie funktioniert das?

Nadine: Was ich mache, ist genau, sind bestimmte Tests, die ich mache. Da lasse ich auch so ein Paket nach Hause schicken. Da kann man das selber machen, wird dann im Labor ausgewertet und basierend darauf kann man dann nachschauen: Ok, was war, woran liegt es? Das hat natürlich auch mit meiner Ausbildung und so zu tun, dass ich das auch lesen kann, was da los ist. Ich sage ganz grundsätzlich, ich bin kein Arzt. Also wenn es wirklich große Probleme sind mit Schlafen und so immer zum Arzt erst gehen. Aber das hier ist erst zu schauen, okay, was können wir selbst machen? Manchmal sind es nur kleine Anpassungen, die schon den Unterschied machen. Und dann gucken wir uns mal an, wie wir das angehen. Aber manchmal ist es auch Essen, bestimmte Essensallergien können auch dafür sorgen, dass du nicht so ordentlich schläfst. Manchmal ist das uns auch überhaupt nicht bewusst. Und darum geht es mir. Um die unterbewussten Sachen klarzumachen, damit wir auch damit arbeiten können. Und dann geht’s mir darum, dass auch Erwachsene wie ein Kind schlafen, wie ein Baby schlafen.

Claudia: Ja, du hast vorhin die Stichworte genannt: Stressmanagement und Resilienz. Und das ist ja was, was ich so aus dem Coaching oder auch aus dem Training mit ganz vielen, ob das Unternehmenskundinnen und -kunden sind oder Privat-Klienten, die zum Coaching kommen. Das kenne ich ja ganz häufig. Ich kenne es vor allen Dingen natürlich aus der Welt der großen Konzerne, insbesondere aus der Welt der Beratung, wo schon gerne mal sehr viel und sehr lange gearbeitet wird. Insbesondere wenn man im Hotel übernachtet, weil man irgendwo Projekt hat und auf Reisen ist, dann kommt der Schlaf ja extrem zu kurz. Und ich kann mir vorstellen, dass das so eine Hauptzielgruppe sein kann, für die das aber gar nicht so einfach ist. Beispielsweise die Gewohnheiten, was das Arbeiten angeht, so intensiv umzustellen, weil das hat ja einen Grund, warum die so lange Stunden arbeiten. Und ganz häufig definieren die ja auch Erfolg darüber: wieviel leiste ich. Und ich finde besonders diese Kombination aus Sleep and High Performance total spannend. Weil wenn man es herumdreht, kannst du ja Leistungen nur dann bringen, wenn der Körper und auch der Geist wirklich auch ausgeruht und ausgeschlafen ist. Sonst hängst du halt irgendwann, das kennen wir alle, mit Radkasten-Augenringen in den Seilen und nichts geht mehr. Was erlebst du da so da mit  deinen Klientinnen und Klienten?

Nadine: Naja, du hast es ja in der Tat genau auf den Punkt gebracht. Und in der Tat, es ist dieser Teil von: Okay, Erfolg ist so, wenn mal eine ganze Nacht durchhaue, dann bin ich erfolgreich vor dem Chef. Ja, aber so ist es ja nicht. Wenn man nicht richtig, wenn man müde ist am Morgen, ist man auch nicht so produktiv, ist man auch nicht so aufnahmefähig. Und gerade dann arbeiten wir auch länger. Und man kommt dann so in einen Teufelskreis rein. Und es ist ein erster Schritt, das die das zugeben und sagen: Oh Gott, ich hab hier vielleicht doch ein Problem. Dann muss ich mir mal angucken, was da los ist. Das ist meist die größte Herausforderung.

Claudia: Das kann ich mir gut vorstellen. Da sind häufig Menschen wahrscheinlich eher mit einer Tendenz unterwegs zu sagen: Ja, jetzt gib mir mal irgendwie ein Rezept. Beim Arzt so: Was kann ich nehmen, um das irgendwie zu unterdrücken, oder? Keine Ahnung. Am Lavendelkissen riechen, so Sachen ja, aber bloß nicht meine Gewohnheiten umstellen, weil der Mensch ist ja schon ein bisschen Gewohnheitstier.

Nadine: Genau. Oder gib mir Medikamente oder Melatonin oder was weiß ich was alles. Ja, es hilft alles bis zu einem gewissen Grad. Allerdings ist es das Grundprinzip. Was auch gerade, und das ist eine Wende, worüber ich mich sehr, sehr freue, ist, dass gerade auch, dass Leaders und CEOs, wirklich große Namen, mehr und mehr Wert darauf legen, aufs Schlafen. Es ist wichtig. Schau mal, ich weiß, der ehemalige Präsident Obama war wirklich zu einem bestimmten Zeitpunkt immer im Bett und so. Es sind auch andere große Unternehmen, wo Schlaf im Prinzip der erste Prio ist und ein Großteil vom Erfolg. Also da ist schon eine eine Wende. Und natürlich Arianna Huffington. Die hat vor drei, vier Jahren das Buch „The Sleep Revolution“ herausgegeben, und da geht sie wirklich darauf ein: Okay, wir wohnen, wir sind gerade in einer Gesellschaft, wo nicht genug Schlaf ein Statussymbol ist. Allerdings, es ist keine. Und das sind die Sachen. Wo dieses Bewusstsein mehr und mehr da ist und gerade auch Gesundheit, das ist auch in der vergangenen Monaten wichtiger geworden. Schlaf ist nochmal ein essentieller Teil.

Claudia: Ja. Sag mal, gibt’s da eigentlich interkulturelle Unterschiede, wie mit Schlaf umgegangen wird? Du bist ja jemand, der ursprünglich aus den Niederlanden kommt, aber schon seit vielen Jahren in Deutschland lebt. Du bist hier auch zum Arbeiten schon gewesen. Du hast ja vorher in Konzernen, in Unternehmen gearbeitet, und bist jetzt eben selbstständig. Das heißt, du kennst mindestens zwei Kulturen, hast aber mit viel, viel mehr Kulturen gearbeitet. Welche Unterschiede erlebst du da, was Schlaf angeht?

Nadine: Ich glaube, hier in Europa gilt das schon nicht so. Da sind wir schon alle so ein bisschen ähnlich. Natürlich haben wir in manchen Ländern Siesta, was auch ganz schlau ist. Ich bin ein großer Fan davon, kurz mal Mittagsschläfchen zu machen, Power Nap, damit wir nachher am Nachmittag wieder fit sind. In der nördlichen Ländern ist es natürlich auch so, dass das Wetter im Winter ganz anders ist. Aber schaue dir z.B. auch bestimmte asiatische Länder an, Japan z.B., wo dieses nicht schlafen, immer da eine Loyalität für die Firma bis zum Extrem ist. Und wenn man da auch die Raten, die Todeszahlen leider anguckt, die irgendwie verbunden werden können mit Schlaf. Da schüttelt man sich schon ein bisschen. Das ist schon beängstigend.

Claudia: Ja, das kann ich mir vorstellen. Und ich glaube auch mal irgendwo gelesen zu haben, dass tatsächlich auch verschiedene Erkrankungen mit Schlafdefizit in Verbindung stehen. Also du hast vorhin von hormonellen Situationen gesprochen im Körper. Du hast von Ernährungsgewohnheiten, vielleicht auch von Unverträglichkeiten bei Lebensmitteln gesprochen. Aber Schlafdefizit kann ja auch andere Erkrankungen günstig oder…, also ungünstig in dem Moment, wo es ein Defizit ist und wenn man es dann in den Griff kriegt, auch wieder günstig beeinflussen, oder?

Nadine: Ja, genau. Ein Beispiel ist Parkinson und Alzheimer, die können durch Schlafdefizit getriggert werden. Ich sage nicht, dass es unbedingt so ist, aber da hat man schon eine Verbindung gefunden. Und wie ist das, wenn man wenig Schlaf hat? Dann hat der Körper mehr Bock auf salziges und fettiges Essen. Also dann isst man das mehr. Und das ist dann wieder ein indirekte Folge von Schlaf, von nicht oder weniger schlafen. Herzkrankheiten kann so sein. Und so sind so immer solche Sachen, wo weniger Schlaf einen indirekten Einfluss hat auch auf das. Und was auch ein Ding ist, ist viele Unfälle, die leider passieren. Auch, da Leute einfach nicht aufpassen, ein bisschen müde sind und deshalb machen sie kurz mal die Augen zu. Man ist hinter dem Steuer und die Konsequenzen können gravierend sein.

Claudia: Und das, also das wirklich Schlimme ist ja, ich habe das tatsächlich mal, nicht selbst am Steuer gesessen, aber erlebt, als ich hinten gesessen habe vor vielen, vielen Jahrzehnten, muss man schon sagen. Das war zur Jugendlichen-Diskozeit, dass tatsächlich auf dem Rückweg dann die Person, die gefahren ist, mal kurz eingeschlafen ist und wir uns plötzlich in Richtung der Leitplanke bewegten und ich dann mal von hinten feste geschüttelt habe. Man kriegt das gar nicht mit. Das ist ja so das Gefährliche daran.

Nadine: Das kann auch manchmal in einer Mikrosekunde sein, und das kann schon ausreichend sein. Es ist immer wichtig: Hab genug Schlaf, oder wenn du dir nicht sicher bist, nimm das Risiko nicht.

Claudia: Ja. Ja, super spannendes Thema. Ich schlage vor, dass wir auf jeden Fall das Buch von Arianna Huffington, das du genannt hast, „The Sleep Revolution“, verlinken und was dir ansonsten noch einfällt an Material, das vielleicht für die Hörerinnen und Hörer interessant ist. Wir kommen nämlich tatsächlich schon zur letzten Frage, gut vierzehn Minuten haben wir jetzt schon gesprochen. Das geht immer so schnell vorbei. Die letzte Frage ist: mit wem, lebendig oder vielleicht auch nicht mehr lebendig, würdest du denn gerne mal einen Kaffee trinken oder einen Espresso in deinem Fall?

Nadine: Oh, es ist eine witzige Frage. Lass mich denken, bei mir kommt zum ersten Mal wirklich Sir Richard Branson noch vorne. Ich glaube, mit ihm kann man schon ein ganz spannendes Gespräch haben. Über so viele Sachen auch, was er alles erlebt hat. Ich mag auch sein Mindset. Sein Buch „Screw It, Let’s Do It“ liegt auf meinem Schreibtisch, und das ist für mich auch immer der Moment, also wenn ich ein bisschen überlege, soll ich das jetzt machen oder nicht, dann schaue ich rüber und denke: Okay, ja, mache es.

Claudia: Im Zweifelsfall fürs Risiko, Augen zu und durch sozusagen. Let’s do it! Ja, ja, cool. Da haben wir noch einen zweiten Buchtipp, den packe ich auch direkt mit in die Shownotes. Nadine, hat mir total viel Spaß gemacht. Vielen, vielen lieben Dank! Und ja, ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder auf einen Espresso.

Nadine: Absolut. Dankeschön, Claudia.