Nehmt doch einfach, was ihr wollt!

02.11.2018Claudia Salowski

Diese Überschrift könnte ich, wie vermutlich so manche(r) Berater(in), ehrlicherweise über die Auflistung der Persönlichkeits- oder Verhaltenspräferenzen-Diagnose-Instrumente (was für ein Wort!) setzen, die sich so in meinem Portfolio befinden, denn zertifiziert bin ich für einige der international und/oder in Deutschland häufig genutzten: FIRO-B, MBTI, Hogan, Reflector Big 5, Reiss Motivation Profile, Belbin, profiling values… Und dann lassen sich ja auch basierend auf der Jung’schen Grundidee noch einige Konzepte darstellen, ohne einen Fragebogen zu verwenden, indem man das Wertequadrat nach Riemann/Thomann als Grundlage nimmt und sich anschaut, ob Menschen eher dauer-/struktur- oder wechsel-/veränderungsbedürftig sind, und ob sie eher Nähe oder Distanz im zwischenmenschlichen Kontakt bevorzugen.

Letztendlich geht es in einem ersten Schritt genau um das, was mein Großvater mal beruflich gemacht hat; der war nämlich Schlosser: Es geht darum, Türen so zu gestalten, dass man sie bei Bedarf öffnen kann, wenn man den passenden Schlüssel findet.

Bei der Beratung von Organisationen und im Coaching von Teams oder Einzelpersonen ist es auch wichtig, erst einmal den passenden Schlüssel, den Türöffner zu finden: Was sind die Themen, die unter den Nägeln brennen? Was sind die Geschichten, die sich erzählt werden? Was verbindet, und was trennt?

Meine Erfahrung mit dem Einsatz all dieser oben genannten Instrumente (und es gibt viele mehr) ist, dass die zentrale Funktion, die sie zunächst einmal erfüllen, die der gemeinsamen Sprache ist. Unterschiede und Gemeinsamkeiten darin, wie wir sind und wie wir uns verhalten, was wir hilfreich finden und was hinderlich, was wir uns wünschen und was wir furchtbar finden; diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten lassen sich plötzlich benennen mit einigermaßen wertfreien Begriffen. Manchmal gibt es Worte, die durchaus auf die eine oder andere Art konnotiert sind: Ob ich meine Energie eher aus dem Kontakt und Austausch mit anderen oder aus der Reflexion mit mir selbst beziehe, entscheidet darüber, ob ich als eher extra- oder introvertiert gelte. Erfahrungsgemäß wird diese in ihrer Grundbedeutung wertfreie Skala jedoch im Sprachgebrauch eher mit Zuschreibungen verwendet, in etwa: Trainer müssen doch extravertiert sein, schließlich haben sie ständig mit Menschen zu tun! Oder: Ein introvertierter Vertriebler – wie soll das denn funktionieren? Ganz wichtig ist jedoch, dass mit den meisten Instrumenten eben keine Kompetenz (kann ich das oder nicht) dargestellt wird, sondern eine Präferenz: Liegt das in meinem Heimatgebiet, also in der Zone der Verhaltensvarianten, die ich am meisten bevorzuge.

Eine gemeinsame Sprache macht auch den Umgang mit Konfliktsituationen plötzlich einfacher, denn es wird klar: Häufig ist der Andere gar nicht bescheuert, sondern hat einfach eine andere Präferenz! Wenn ich das als Gesprächsgrundlage nutzen kann, reden wir nicht mehr über „wie Menschen sind“ (und das wäre ja in den meisten Fällen gar nicht so leicht zu verändern), sondern darüber, „wie Menschen sich verhalten“ – und zwar aufgrund ihrer Heimatgebiete.

Es gibt eine ganz wunderbare Übung aus der ORSC-Welt (Organizational & Systems Relationship Coaching, ein Ansatz, mit dem ich in Organisationsberatung und im Coaching arbeite), die sich „My Land – Your Land“ nennt: Wenn Akteure in einem System, also in einer Paarbeziehung, in einem Team oder in einer Organisation; wenn zwei oder mehr Personen einen Konflikt miteinander haben und möglicherweise noch gar nicht so klar ist, worum es eigentlich geht, dann können sich diese Personen in ihren jeweiligen Ländern (oder auch Vorstellungswelten) besuchen, und zwar in der Rolle eines Touristen, der sich anschaut, wie es in diesem Land so ist, und der dann mit einem Rucksack voller Eindrücke das Land wieder verlässt und den anderen einlädt, nun wiederum sein Land zu besuchen. So verstehen wir, mit welcher Perspektive der andere auf die Welt schaut und können dessen Verhalten vielleicht ein bisschen besser nachvollziehen. (Als hilfreich erweist sich häufig der Hinweis, dass ich als Tourist nicht in diesem anderen Land wohnen muss; es geht nur darum, es sich einmal anzuschauen und dann jederzeit wieder ins gewohnte „My Land“ zurückzukehren.)

Wenn Sie also demnächst für sich selbst oder im Rahmen eines Programms der Personalentwicklung oder Organisationsentwicklung vor der Frage stehen: „Welches Instrument nutze ich denn nun am besten, um die Tür zu öffnen“, dann ist mein Angebot an Sie: einen Schlüssel. 🙂

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